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Professionelle Podcasts: Geheimnisvolle Stollen und überzählige Bomben

Podcast-Projekt
Website:www.th-wildau.de/lokalgeschichte
Dr. Frank Seeliger Telefon:0 33 75/50 81 55
Lars Ulbricht Telefon:01 76/84 12 55 52
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Wie hört sich Wildau an?

Stand: März 2021

Die Westhangtreppe ist ein Wahrzeichen von Wildau. Sie verbindet das frühere SMB-Gelände, auf dem heute die TH und viele Betriebe angesiedelt sind, mit dem Wildorado und dem Wohngebiet an der Fichtestraße. Wer würde heute denken, dass sich hier ein geheimnisvolles System von Bunkern und Stollen befindet?

„Die Treppe wurde in den Kriegsjahren gebaut. Damals waren oben im Bereich des heutigen Wildorado Baracken für Zwangsarbeiter. Es wird vermutet, dass es bis zu 10 000 Personen waren, die vor allem im Schwermaschinenbau beschäftigt waren. Wer aus westeuropäischen Ländern stammte, hatte gegenüber den Menschen aus dem Osten Privilegien. So durften letztere nicht in die Luftschutzschächte, die dort bis Kriegsende in den Berg gegraben worden wurden“, weiß Lars Ulbricht.

Schätze und Flugzeugteile
Der 42-Jährige ist Schulsozialarbeiter an der Ludwig-Witthöft-Oberschule. Sein großes Hobby ist Heimatgeschichte: „Ich bin in Wildau aufgewachsen und selbst in diese Schule gegangen. Damals hieß sie noch Realschule. Als ich 2012 beruflich hierherkam, traf ich noch auf meine damalige Klassenlehrerin.“ Im Zuge seiner Forschungen stieß er mit den Schülern darauf, dass es neben dem bekannten Schwermaschinenbau noch ein Werk der AEG gab: „Der Standort war in der Nähe des heutigen TGZ. Dort wurden Flugzeugteile gebaut. Außerdem existierte hier eine Außenstelle der Degussa, wo laut Aussage des Werkleiters 15 Tonnen Barrensilber aus der Filiale Reinickendorf gelagert waren“, weiß Ulbricht weiter.

Holländer packt aus!
Besonders stolz ist Ulbricht auf einen reichlich bebilderten Band, den der Niederländer Wout den Breems über die Erlebnisse seines Vaters in Wildau veröffentlichte. „Der war als Koch tätig und konnte sich deshalb ziemlich frei bewegen. So durfte er sogar Fotos machen. Damit könnte man viel Neues erfahren. Wir sind gerade dabei, eine Übersetzung ins Deutsche zu realisieren“, kündigt Ulbricht an.

Rote Karte fürs Fahrrad
Natürlich geht es Lars Ulbricht darum, die Schüler mit seinem Faible für Geschichte anzustecken. „Das Problem ist, dass Quellenstudium mit viel Lesen verbunden ist. Dies ist bei den Jugendlichen heutzutage eher weniger beliebt. Deshalb arbeite ich viel mit Bildern“, sagt er und zeigt zum weiteren Beweis eine historische Luftaufnahme von 1944 sowie einen Karteikasten mit „Devotionalien“ wie Postkarten und historischen Fotos. „Schmuckstück“ ist eine rote Karte aus der Nachkriegszeit, die auf russisch und deutsch ausweist, dass der Inhaber rechtmäßig sein Fahrrad besitzt.

Ungeplanter Angriff
Die Geschichtsbegeisterung des ungewöhnlichen Sozialarbeiters trug nun Früchte, die weltweit auf Wildau aufmerksam machen. Die Jugendlichen erstellten über ihre Forschungserkenntnisse zwei Podcasts, die sich mit dem einzigen Bombenangriff beschäftigen, der Wildau am 8. März 1944 traf, aber nur wenig Schaden anrichtete. „Die achte US-Luftflotte hatte Erkner mit dem Kugellagerwerk im Visier. Der Ort wurde damals völlig zerbombt. Wildau bekam nur überzählige Bomben ab, die größtenteils in den Dahme-Niederungen zwischen Wildau und Niederlehme landeten.“

Total digital!
Alle Podcasts wurden von den Jugendlichen mit Hilfe von Ramona Storm professionell eingesprochen, anschließend im Wildauer Studio von Oliver Modrisch aufgenommen und bearbeitet. Sie sind bei YouTube sowie auf der Internet-Seite der TH Wildau verfügbar.
Dort ist mit Dr. Frank Seeliger ein weiterer geschichtsbegeisterter Wildauer an der Spitze der Bibliothek aktiv. „Ich bin mit Tino Höch auf eine Ausschreibung des Deutschen Bibliotheksverbands gestoßen. ‚Total digital‘ hat zum Ziel, Lesen und Erzählen mit digitalen Medien zu verbinden. Da ist uns die Idee gekommen, Podcasts herzustellen. Das ist bei den Jugendlichen beliebt“, gibt Dr. Seeliger Einblick. Obwohl er selbst Altamerikanistik studiert hat und sich eher mit den autochthonen Völkern wie den Majas und Inkas beschäftigte, ist ihm Wildau ein Herzensanliegen. So hat er einen repräsentativen Bildband „Die Spur der Wildauer Steine“ herausgebracht.

Wie Wildau sich anhört
Die Idee mit den Podcasts begeisterte die Ausrichter. „Wir erhielten für das Projekt über 3 000 Euro Fördermittel vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.“ Neben dem Bombenangriff haben die Geschichtsforscher den Grenzübergang in Eichwalde unter die Lupe genommen. Ihn musste man passieren, wenn man von der sowjetischen Besatzungszone nach Berlin wollte. Sie sind außerdem der Frage nachgegangen, ob man Wildau nur nach seinen Geräuschen erkennen könnte. „Dieser Podcast entstand im Verbund mit Nadja Jakob. Die junge Frau ist blind und ließ sich gleich für das Projekt begeistern“, erklärt Dr. Frank Seeliger.

Arbeiteraufstand im Blick
Nun sind bereits die nächsten Produktionen fest in der Planung: „Wir wollen herausfinden, wie der DDR-Arbeiteraufstand am 17. Juni 1953 in Wildau zu erleben war und dann natürlich die Geheimnisse unserer Stollen akustisch etwas lüften“, schwebt Lars Ulbricht vor. Die bisherigen „digitalen Hörspiele“ kamen übrigens auf bereits mehrere hundert Zugriffe. Dabei hatten die Schulschließungen sehr behindert, dass sich das Projekt in der Stadt so richtig herumspricht!

Erstellt: 2021